Wieso brechen so viele Azubis die Ausbildung ab?
Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist ein großes Thema auf dem Arbeitsmarkt. Vor allem in der Pflege, im Handwerk und in den Naturwissenschaften sind ausgebildete Personen gesucht. Gleichzeitig steigt die Zahl der Azubis, die unzufrieden sind und das Handtuch werfen, stetig. Doch warum ist das so? Wieso brechen so viele Azubis die Ausbildung ab? Und welche Berufe trifft es besonders?
Inhalt
Wo gibt es die meisten Ausbildungsabbrüche?
Die klassische Berufsausbildung in Deutschland wird im dualen System durchgeführt. Die Azubis besuchen eine Berufsschule, an der sie sich die theoretischen Ausbildungsinhalte aneignen.
Parallel dazu sind sie in ihren Ausbildungsbetrieb eingebunden, wo sie die erlernte Theorie praktisch anwenden und durch die Mitarbeit Berufserfahrung sammeln.
Allerdings geht dieses Konzept nicht immer auf. Dem Berufsbildungsbericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zufolge hat im Jahr 2022 fast jeder dritte Azubi seinen Ausbildungsvertrag vorzeitig wieder aufgelöst.
Nicht alle Azubis haben die Ausbildung aber gleich komplett hingeschmissen. Rund die Hälfte von ihnen wechselte nur zu einem anderen Ausbildungsbetrieb.
Große Unzufriedenheit scheint es dabei vor allem im Hotel- und Gastgewerbe zu geben. Etwa 54 Prozent der Azubis, die eine Ausbildung zur Fachkraft für Systemgastronomie begonnen hatten, beendeten vorzeitig den Vertrag mit ihrem Ausbildungsbetrieb.
Ähnlich hoch fielen die Abbruchquoten auch bei anderen Berufen in diesem Bereich aus, so zum Beispiel beim Koch, der Hotelfachkraft oder der Fachkraft für Restaurantgastronomie.
Auch unter den angehenden Friseuren, Fachverkäufern im Lebensmittelhandwerk und Fachkräften für Schutz und Sicherheit kam es bei rund 50 Prozent der Ausbildungsverträge zu einem vorzeitigen Ende.
Am anderen Ende der Liste steht die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten. In diesem Ausbildungsberuf liegt die Quote der vorzeitig aufgelösten Verträge bei nur knapp sieben Prozent.
Welche Azubis brechen die Ausbildung ab?
Unterschiede bei den Abbruchquoten gibt es nicht nur in den verschiedenen Berufen und Branchen. Auch der Schulabschluss scheint ein Faktor zu sein, der beeinflusst, ob Azubis ihren Ausbildungsbetrieb verlassen.
So lösten rund 42 Prozent der Azubis mit Hauptschulabschluss oder ohne Schulabschluss ihren Vertrag auf, während es bei den Azubis mit Abitur nur 18 Prozent waren.
Der Wohnort und die Herkunft machen sich ebenfalls bemerkbar. Bei den Azubis, die ihre Ausbildung im Osten Deutschlands begonnen hatten, war das Risiko, dass sie ihren ersten Ausbildungsbetrieb verlassen, 1,2-mal höher als bei den Azubis in Westdeutschland.
Der Berufsbildungsbericht zeigte außerdem, dass Azubis mit Migrationshintergrund ihren Ausbildungsvertrag rund 1,5-mal öfter auflösten als Azubis ohne ausländische Wurzeln.
Das BMBF weist aber darauf hin, dass die Zusammenhänge komplex sind und die Ergebnisse deshalb mit Vorsicht interpretiert werden sollten.
So ist zum Beispiel denkbar, dass bei einer Azubigruppe häufiger Vertragsauflösungen vorkommen, weil diese Azubis vermehrt Berufe erlernen oder in Regionen wohnen, in denen die Abbruchquoten per se höher sind.
Genauso ist denkbar, dass die Lösungsquoten in bestimmten Berufen höher ausfallen, weil sich für diese Tätigkeiten überwiegend Azubis entscheiden, bei denen ein vorzeitiger Abbruch der Ausbildung wahrscheinlicher ist. Es reicht also nicht aus, einen Faktor für sich zu betrachten.
Wieso sind Azubis mit ihren Ausbildungen unzufrieden?
Unabhängig von konkreten Zahlen stellt sich die Frage, warum so viele Azubis den Ausbildungsbetrieb wechseln oder die Ausbildung gleich ganz hinschmeißen. Das BMBF hat an dieser Stelle drei Faktoren ausgemacht, nämlich die Aussicht auf Erfolg, den Spaß und die körperliche Belastung.
Gehen Azubis von guten Erfolgschancen aus, schätzen sie also zum Beispiel ihre Aussichten auf eine solide und erfolgreiche Karriere in ihrem Ausbildungsbetrieb gut ein, sinkt das Risiko für einen Wechsel des Betriebs auf die Hälfte.
Noch stärker ist der Effekt mit Blick auf den Spaßfaktor. Das Risiko, dass Azubis den Ausbildungsbetrieb vorzeitig verlassen, reduziert sich auf ein Viertel, wenn ihnen ihre Arbeit im Betrieb Spaß macht.
Als dritter Faktor kommt die körperliche Belastung während der Ausbildung zum Tragen.
Je höher Azubis die körperlichen Anforderungen einschätzen, desto höher ist auch das Risiko, dass sie die Ausbildung vorzeitig abbrechen. Azubis werfen also tendenziell eher hin, wenn sie sich in der Berufsausbildung körperlich überfordert fühlen.
Was sollte sich ändern?
Aus den Untersuchungen wird klar, dass die hohen Abbruchquoten zumindest zu einem Teil auch auf die Kappe der Ausbildungsbetriebe gehen.
Wie für alle anderen Mitarbeiter ist auch für Azubis wichtig, dass sie das Gefühl haben, mit ihrer Arbeit einen wertvollen Beitrag im Unternehmen zu leisten.
Im Idealfall gibt es eine Führungskraft, die einen Azubi während seiner Ausbildung unterstützt und ihm als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit fängt schon damit an, dass der Azubi seinen Kollegen im Betrieb vorgestellt wird und auch im weiteren Verlauf Wertschätzung erfährt.
Die Redewendung „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, die letztlich nichts anderes bedeutet, als dass Azubis eben durch eine harte Schule gehen müssen, scheint nicht mehr ganz zeitgemäß.
Natürlich heißt das nicht, dass Azubis mit Samthandschuhen angefasst werden müssen. Wenn Unternehmen ihre Azubis als Fachkräfte von morgen halten wollen, sollten sie die Betreuung aber mitunter überdenken.
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Thema: Wieso brechen so viele Azubis die Ausbildung ab?
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